
Endlich war die Zeit gekommen in die Kanalisation der Stadt hinabzusteigen und unvorstellbare Schätze aus der Hochzeit der Marskultur zu heben … und ein paar armen roten Schweinen das Leben zu retten – und nein, an dieser Stelle sind keine verqueren Kommunisten damit gemeint. Doch weder sollten wir in heldenhafter Manier Leben retten, noch fanden wir Schatzkisten voller erlesener Artefakte. Doch eins nach dem anderen.
Vor der Reise besorgten wir uns Gaslaternen, ein Seil, wir nahmen natürlich die (eher lächerlichen) Atemschutzmasken mit und ich bastelte noch zwei kleine Brandsätze, damit auch Mr. Thurgood mehr oder weniger schweres Geschütz auffahren konnte. Da unsere Queste nach der königlichen Erleuchtung erst um kurz nach 2 pm ihren Anfang nehmen konnte, musste mir Sirkiis ein Reiseköfferchen mit Teeutensilien einpacken – auch im Angesicht größter Gefahr und Not gilt es Kultur und Tradition zu pflegen! Nach einem weiteren interessanten Ritt auf den Gashanten durch Goldschmiede- und Handwerkerviertel erreichten wir den heruntergekommenen und teils verlassenen Distrikt 6. In einem Gebäude konnten wir den Riss in die Kanalisation ausmachen und an einem Seil in die Tiefe hinabklettern.

Offensichtlich muss ich an meinem Visiominator noch einiges justieren und optimieren, den es war mir leider nicht möglich die Kloakenabwässer zu durchschauen. Selbst Wärmequellen ließen sich in der stinkenden Brühe nicht mehr ausmachen … So stöberten wir ein wenig desorientiert durch die grün schimmernden Gänge und machten nach einer Biegung einen älteren Einsturz aus. In einer Seitenkammer begegnete uns ein ebensolches Vieh, wie schon bei unserem ersten Aufenthalt in der Kanalisation gemeinsam mit König Orthai: eine gepanzerte Nashornratte. Dieses Mal waren wir jedoch vorbereitet und nach zwei Schüssen unserer geschätzten Militärs brach das Ungetüm flatschend in sich zusammen. Leider hatte ich in der Zwischenzeit wegen einer technischen Unzulänglichkeit meines Visiominators eine halbe Augenbraue eingebüßt und das spannende Gefecht komplett verpasst [Patzer] …
Dahinter lag aber nicht nur eine einfache Kammer, sondern ein ritueller Grabraum, in dem mehrere marsianische Mumien aufgebahrt waren – an einigen hatte sich die RVAG (Ratte von außergewöhnlicher Größe) bereits zu schaffen gemacht. Während ich bei den unterschiedlichen Toten – von denen einige tatsächlich noch Flügel und andere seltsame Drüsen am Unterkiefer aufwiesen – keinerlei Grabbeigaben gefunden hatte, hing ein alt-marsianisches Schwert mit Kristall und filigraner Verkabelung von der Decke. Ein ungewöhnlicher Brauch. Vielleicht aber auch eine Art Wächterschwert, das die Toten vor bösen Geistern beschützen sollte? Gewisse Parallelen mit den Ägyptern lassen sich auf jeden Fall nicht von der Hand weisen.
Aber kaum hatten wir den Raum und die fremdartige Klingenwaffe untersucht, regte sich etwas im Abwasser vor uns. Der aufmerksame Officer Thurgood konnte zwei Tentakeln ausmachen, die aus der Moderbrühe hervorlugten. Vermaledeit sei meine Wissbegier! Unvorsichtig lugte ich am zurückweichenden Mr. Thurgoodvorbei und wurde prompt von einem tintenfischartigen Ungetüm angefallen, das sich auf seinen Tentakeln wie ein Rad rollend auf mich zubewegte. Zum Glück hatte es sich in der Distanz verschätzt und landete schmatzend vor mir auf de Boden. Es folgten einige wenig ruhmreiche Augenblicke für die Herren der Expedition. Unserem Schiffsoffizier explodierte die geliehene Marsianer-Flinte in der Hand, der Schuss vom schweigsam gewordenen Mr. Wright hatte die Wucht einer Fliege und meine Wenigkeit, nun, ich musste wohl bei der letzten Wartung vergessen haben, das Dilutionsventil zu schließen [Hindrance]. So traf der Großteil der Energie mich selbst – zum Glück ohne tödliche Urandosis – und ich ging zu Boden und mein Exergonischer Vitrumvisator flog im hohen Bogen in die hinteren Reihen. Zum Glück wachte Gott über mich … und Klara. Wie eine Amazone stürmte diese auf das Tentakelmonster zu und versetzte ihm eine ordentliche Tracht Prügel. Nur deshalb fiel der Tentakelschwinger milde aus, dennoch blieb ich vor Schmerz gebeutelt um Boden liegen, noch immer von meinem eigenen Stromstoß gebeutelt. Bevor ich wieder recht zu mir kam, hatten Klara, die Furie, Mr. Wright und Mr. Thurgood den Abwasserpolypen unter bestärkenden Zurufen Lady Leybounds niedergestreckt. Immerhin konnte ich einen Teil meiner verlorenen Ehre wiederherstellen, indem ich die übel zugrichtete Klara mit einer doppelten Dosis meines Mycealithikums behandeln und wieder auf die Beine bringen konnte. Mir selbst reichte eine einfache Dosis, um den Tentakelhieb vergessen zu machen. Erfreulicherweise zeigte die bittere Medizin in Spritzenform weniger Nebenwirkungen als ich ursprünglich angenommen hatte …
Und dann war endlich Zeit für einen ordentlichen Tee, den wir gemeinsam in der Grabkammer zu uns Namen. Leider hatte ich in der Eile das Gebäck vergessen, und an ein ordentliches Stück Kuchen auf den Schrecken war gar nicht zu denken.
Danach schlossen wir noch zwei Schotts, um zu verhindern, dass noch weitere Kanalisationsbewohner nach oben gelangen können – erfreulicherweise verhinderten wir dabei auch die Ausbreitung der krankmachenden Sporen oder Bakterien. Zwei Fliegen mit einer Klappe! Auf dem Heimweg erstatteten wir – unter Ausschluss von Mr. Thurgood und meiner Person – bei Dr. Amofaa Bericht. Wie die Baronin später erzählte, hatte ich den “Tintenfischroller” richtig als “Knoe Schoschu” erkannt; uns war aber nicht klar, dass es sich hierbei um eine Art Sagen- oder Mythenwesen handelt.
Am Abend wurden wir in den Thronsaal gebeten, mitunter auch um König Orthai von unserem Erfolg im Distrikt 6 zu berichten. Mittlerweile hatte die Heilsalbe auf Basis meines venusianischen Pilzextraktes auch auf eine der Haremsfrauen des Herrschers übergegriffen. Der Monarch und unser Offizier sind nun nicht mehr die einzig Grünhäutigen.
Nach einem kleinen Gelage wurden wir noch eingeladen, an der Bestrafung und wie sich später herausstellte sogar der Hinrichtung einer Sklavin teilzunehmen, was Mr. Thurgood und ich empört ob solcher Barbarei ablehnten. Immerhin wurde die Gräfin auf Anraten unserer geschätzten Klara tätig, kaufte die Marsianerin (Abby) für eine Unsumme in ihren Dienst und rettete ihr damit das Leben. Und alles nur wegen eines gelesenen Buches …
Ich versuchte abends noch mit Hilfe Sirkiis’ ein wenig Wissen für die bevorstehenden Verhandlungen zu sammeln, aber ich muss immer wieder feststellen, dass ich eben kein naiver Historiker oder Anthropologe, sondern ehrenwerter Erfinder und ernstzunehmender Wissenschaftler bin …
Der nächste Tag begann schließlich mit einer wunderbaren Überraschung: im 20. Stock eines der Hochhäuser durften wir eine geräumige wie edel eingerichtete Botschaft des Britischen Imperiums beziehen, in der uns gleich ein Stab von 30 “Mitarbeiter/innen” zur Verfügung gestellt wurde, angeführt von der etwas bärbeißigen Madame Gronkh. Meine Rede, dass die Damen und Herren allesamt “frei” seien und von uns bezahlt werden würden wurde mit großer Verwunderung aufgenommen. Aber ich bin mir sicher, dass diesem Volk mit etwas Mühe und Aufwand durchaus Kultur, Moral und Ehre beizubringen sind.
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