Kapitel 4: Das ist nicht scharf

Marsianische Kanalstadt

Um den Kapitän des Schiffes nicht zu verärgern passen wir unseren Täuschungsplan weiter an und bauen in die verschlüsselten Nachrichten die Botschaft eines Treffpunktes im Garten des Schiffes am nächsten Abend ein. Lady Leybound formuliert unsere Falle derart treffsicher, gestützt von meinen wissenschaftlichen Ausführungen und der Präsenz des dekorierten Mr. Wright, dass vermutlich auch der Kaiser von China darauf hereinfallen würde. Wir verbreiten die Falschnachricht auch auf den unteren Decks und notieren die Namen der vermeintlich Freiwilligen auf und überprüfen dieselben.

Eine frühe Form des Visiominators

Natürlich präparieren wir den Treffpunkt vortrefflich, damit die Falle auf effektivste Weise zuschnappen kann – leider bleibt unser Ruf ungehört. Doch nicht ganz. Denn der fleißige Mr. Thurgood wird zu einem Todesfall in den unteren Ebenen abberufen. Ein kleines Mädchen hat eine Leiche entdeckt. Schnell stellt sich heraus, dass der Verstorbene mit gefälschten Papieren an Bord war und vermutlich nach unserer gerissenen Finte kalte Füße bekommen hat. Ein Fläschchen Gift beendete sein Leben schnell und wirkungsvoll. Mit Hilfe meines verbesserten Visiominators gelingt es sogar noch eine versteckte Dosis des Venuspilzes sicherzustellen – verdächtiger Weise in den gleichen Phiolen transportiert wie bei den Abigails. Offensichtlich war der Verräter für die Recherche und technische Umsetzung des Anschlags zuständig, denn er hat einige Bücher zum Thema Heliographentechnik und Aufbau des Schiffes durchgeackert.

Weltraumreisen in 1889

Der Rest der Reise verläuft zum Glück recht ruhig, wodurch ich die Möglichkeit erhalte mithilfe des Urans, der heimlich extrahierten Weißmilben und des venusianischen Pilzstammes ein äußerst potentes Heilsubstrat zu erzeugen, fürderhin bekannt als Dr. Muffletons Mycealithikum. Der Duchbruch gelingt mir allerdings nur Dank der edlen Blutspende des ergrünten Petty Officers Thurgood. Fürderhin widme ich mich mit dem unverhofften Zugang zu Uran und einer effektiven Spiegel- wie Kristalltechnik der Fertigstellung des ersten Prototypen des Exergonischen Vitrumvisators – ein todbringender Energiestrahl.

Mr. Thurgood wird für seine Verdienste auf dem Schiff zum Chief PO ernannt, Mr. Wright bekommt einen weiteren Orden, die Baronin wundervollen Schmuck und meine Wenigkeit eine Sammlung verschiedener Teesorten aus dem gesamten Commonwealth. Ha, diese Fahrt hat sich bereits auf so vielen Ebenen rentiert.

Dann endlich, nach beinahe drei Monaten im Weltall, taucht die rote Kugel des Mars’ vor uns auf. Seine Kanäle sind schon von hier oben aus zu sehen und je näher wir kommen, desto größer wird meine Erregung. Da unser Schiff die britische Koloniehauptstadt Syrtis Major anläuft, stehlen wir uns klammheimlich mit zwei Soldaten auf einer Landefähre davon und landen schließlich wohlbehalten in Alt-Talastar. Es ist heiß und staubig, aber atemberaubend und überwältigend. Trotz seiner Fremdartigkeit wirkt vieles vertraut und dennoch bleiben viele Errungenschaften für uns Menschen unerreichbar. Aber erkennbar haben die Marsianer ihren Zenith bereits überschritten und viele technische Wunder befinden sich in einem Zustand des Verfalls und Niedergangs – dennoch nicht weniger faszinierend.

Wir werden von Prinz Piookrihaa Purimin II., dem Bruder der Prinzregentin Maneka empfangen. Die bezaubernde Übersetzerin Sirkiis, eine Dienerin des Hauses Piookrihaa, übernimmt die zwingend notwendige Übersetzung, denn auch wenn Mr. Thurgood und ich die Handelssprache “Koline” erlernt haben, bleibt das reine “Marsianisch” fast vollständig unverständlich. Es folgen die Reise in einer wunderschönen Luftbarke, die Landung auf einer atemberaubenden “Luftbrücke”, die Fahrt in einem einzigartigen Fahrstuhl, der Transport in der prinzlichen Schwebebahn und schließlich die Unterbringung in einem wunderschönen Riesenhaus. Wir haben das Glück, dass unser Blick auf einen zauberhaften Garten mit fremdartigen Pflanzen fällt. In unserem Appartement gibt es Tee und Früchte, komfortable Betten und eine luxuriöse Ausstattung. Zum Glück steht in einem der Schränke “Huuran”, der die extreme Schärfe der Teeblätter wieder wettmacht. Ich hatte doch vor lauter Bewunderung über die Technik der Marsianer vergessen, dass einige Dinge hier für Menschen sehr scharf sein können.

Ein marsianischer Gashant

Ein “Techniker” ist mir behilflich meinen funktionsuntüchtigen Visiominator zu reparieren und nach dem Tee geht es schließlich auf einem Gashant gen Oberes Marktviertel, denn der Empfang der Prinzessin Maneka wird erst am nächsten Tag stattfinden. Wir sind allesamt beeindruckt von den einnehmenden architektonischen und technischen Errungenschaften der Marsianer. Nach unserer Ankunft besuchen wir leider nicht zuerst den Salon der Marspioniere, sondern begeben uns direkt in die Pinakothek, um danach in einem der titanischen Rauchtürme zu speisen. Leider hat unsere Übersetzerin einen etwas böswilligen Humor und verleitet mich mit einem hinterlistigen Hinweis dazu, von einer scharfen grünen Paste reichlich zu vertilgen – mit verheerenden Folgen. Um das unsägliche Brennen in meinem Mund zu bekämpfen bleibt mir nur das Hinunterstürzen einer Flasche “Huuran”. Wie sich aber herausstellt, handelt es sich dabei nicht nur um süße schmerzlindernde Flüssigkeit, sondern um ein hochprozentiges Destillat – jetzt brennt nicht nur mein Mund, sondern ich bin auch noch voll wie eine schwere russische Feldhaubitze [Benny].

Peter Sailer
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Nihilistischer Weltverbesserer

4 Kommentare

  1. Hi Peter,

    Vielen Dank! Das liest sich schon ganz gut. Nur wenige Anmerkungen und natürlich die Namen:

    1. mir war nicht klar, dass Du an diesem Abend noch ein potenteres Heilmittel aus dem
    Pilz und dem Uran erstellt hast. Mein Stand war, dass Du am vorherigen Abend den Pilz “strecken” konntest und Uran-Strahler weitergeforscht hast. Dort hast Du allerdings “nur” Ideen für eine Strahlungstherapie entwickelt, deren Ausführung mit den Mitteln an Bord unmöglich ist. Dann wurdest Du aus dem Labor geworfen. Daher ist mir nicht klar, woher das “potentere” Heilmittel kommen soll, zumal der Pilz bisher schon sehr Potent gewirkt hat (wenn auch mit grünen Nebenwirkungen). Ich habe allerdings die Blutspende mitbekommen? Habe ich da was verpasst, falsch verstanden oder komplett vergessen? Oder war das einer der Aufstiegs-“Zauber”? (Der Energiestrahl war ja dann vermutlich der zweite Zauber für den Aufstieg, richtig?)

    2. Das Schiff fliegt weiter nach Syrtis Major, der eigentlichen “Hauptstadt” der britischen Kolonie. Ihr jedoch müsst auf die andere Seite des Oenotrischen Reiches nach Talastar. Da das Oenotrische Reich mit dem British Empire im Krieg steht, erhofft man sich so mittelfristig einen 2-Frontenkrieg zu eröffnen. Daher müsst Ihr mit dem Shuttle in Talastar landen.
    Der Landeanflug geht auch auf den “normalen” Raumhafen in Alt-Talastar – daher auf der einen Seite die Ruinen, auf der anderen die heutige Stadt. Prinz Piookrihaa Purimin II. aus Talastar (Bruder von Prinzregentin Maneka von Talastar – NICHT aus dem Oenotrischen Reich(!), das wären dann ja die Feinde :-)) empfängt euch. Die Platform (“Luftlandebrücke”) steuert Ihr erst nach dem Empfang an mit einer Luftbarke des Prinzen. Von der Platform geht es nach oben (Fahrstuhl) zur Prinzlichen Schwebebahn in den Palast.

    3. Der Schnaps schreibt sich “Huuran”

    Das war es schon 🙂

    Grüße

    Georg

    • Danke für die Klärung der Namen und der politischen Missverständnisse. Ich hatte die Situation tatsächlich bisher nicht so ganz verstanden (passt aber auch zu Dr. Muffleton), kapiere jetzt aber umso mehr, was bei diesem Auftrag alles auf dem Spiel steht. Uiuiui, ich hoffe, wir bringen dem Empire keine Schande …
      Und tatsächlich ist die Erklärung meines neuen Heilmittels nichts anderes als Flavor-Text für meine neue Weird-Science-Errungenschaft – ebenso wie der andere “Zauber”. Letzten Endes hatte ich ja als SL oft genug kritisiert, dass ich es recht langweilig finde, wenn man einfach seine neuen Fähigkeiten auf den Bogen schmiert und dann irgendwann stumpf einsetzt. So – finde ich – sollten neue Abilities im Spiel Verwendung finden Und klar, ich weiß auch, dass nicht immer Zeit für so viel Details ist – aber andererseits muss man die sich als Spieler halt nehmen, so lange es für alle spannend bleibt.

  2. Da ich selbst Deine Artikel nicht editieren darf:
    – “Maneka, nicht “Maneke” 😉 Hast einmal einen Tippfehler
    – und Sirkiis ist eine “Dienerin” aus dem Hause “Piookrihaa” – hier hast Du das Update vergessen 🙂

    Und das mit dem Heilmittel habe ich dann verstanden 🙂 Passt. Glaube nur nicht, dass es mit dem Venus-Pilz gleichziehen kann 🙂

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